Tobis Radblog: Hell Ain't A Bad Place To Be - Neun Tage Rennrad-Trainingslager im Bergischen Land (Teil 2)
Ab jetzt wird es jeden Tag härter
Mittwochmorgen, frisch und ausgeruht nach dem Ruhetag. Naja, mehr oder weniger. Die Kilometerzahl ist eher übersichtlich, knappe 65 Kilometer, mit Anfahrt etwas mehr als 80 - wären da nicht die 'Verkehrsberuhigungen'. Oder wie Rolf Aldag einmal sagte: "Der natürliche Feind des Radfahrers" – die Berge. Nicht viele, aber steil. Die Tour trägt den Titel 'WSA-Runde'. WSA – Wettkampfspezifische Ausdauer oder nach oben offener Puls…, weil, so Trainer Peter Zaun, drei Anstiege so steil sind, dass man sie gar nicht im Grundlagenausdauerbereich hochfahren kann.
Schöne Aussichten – zumindest, wenn man oben angekommen ist. Der Abfahrtsort hat sich ein paar hundert Meter verschoben. Wir treffen uns zuhause bei Peter, denn am Abend soll zum Bergfest des Trainingslagers auf der Terrasse gegrillt werden, um den Teamspirit zu beschwören, was eigentlich gar nicht nötig wäre, die Veranstaltung deshalb aber umso netter macht. Vegetarische und nicht vegetarische Grillspezialitäten werden kalt gestellt, ebenso ein guter Vorrat an alkoholfreiem Weizenbier. Das muss reichen, denn ab jetzt wird es jeden Tag härter.
Großlöderich statt Mont Ventoux: Trotzdem steil

Der Anfang der heutigen Runde ist jedem in Fleisch und Blut übergegangen. Zuerst der Anstieg nach Sand und Herkenrath, kurze Abfahrt, dann den Panoramaweg bei Voiswinkel hoch. Macht einem gar nichts mehr aus, sobald die Muskeln mal warm sind. Zur Vorbereitung auf die drei Kniebrecher, gibt es den gemäßigten, dafür etwas längeren Anstieg nach Eikamp, es geht weiter von Bechen über welliges Terrain nach Biesfeld, durch Hufe, Engeldorf und Offermansheide zum ersten steilen Berg mit dem charmanten Namen Schmitzhöhe.
"Der war jetzt noch nicht so schlimm", sagt Peter, einige hören das gar nicht gern. Es geht recht gemächlich weiter nach Untereschbach, dann geht es ab auf eine unscheinbare Straße durch ein unscheinbares Wohngebiet, und es sieht kurz so aus, als stünde plötzlich eine Wand vor uns. Ist aber gar keine Wand, sind nur so um die 20 Prozent Steigung. Beim Giro oder bei der Tour hat man legendäre Anstiege wie den Stilfser Joch, Alpe d'Huez, Mont Ventoux oder Col du Galibier, lang und steil.
Wir erklimmen – nicht annähernd so lang, aber eben massig steil den Anstieg mit dem klangvollen Namen (Col du) Großlöderich nach (Alp de) Bleifeld. Nicht ganz so legendär, nicht ganz so telegen, aber auch ganz hübsch. Wenn man aufgrund der Prozente so langsam fährt, kann man sich halt auch mal die Gegend anschauen, irgendwas muss einen ja nach oben ziehen. Klappt, aber Spaß ist anders. Der letzte ist der allen bekannte, gute alte Big Ben (Julweg) in Hoffnungsthal. Kommt einem nach Großlöderich gar nicht so schlimm vor.
Ab zu Peter, Grillen. Eine kurze, knackige Tour, 62 Kilometer (mit Anfahrt 80), 1.000 Höhenmeter. Der Abend klingt angemessen gemütlich aus, ein echtes Highlight, mit viel lecker Essen, Gitarrenmusik und viel alkoholfreiem Bier und Fassbrause. Die Heimfahrt spar ich mir und lass mich ausnahmsweise mitnehmen, denn nach viel zu wenig Schlaf ist auch schon Donnerstag. Der führt über die 'Drei Kreuze', irgendwo hinter Jörgensmühle zwischen Peffekoven und Ommerborn, kurz vor Lindlar, wo eine Eisdiele zum Zwischenstopp einlädt, ebenso wie eine Tankstelle, denn die Hitze fordert Tribut, beide Trinkflaschen sind leer. Gut versorgt geht es zurück. Alle schlagen sich hervorragend über 90 Kilometer und knapp 1.500 Höhenmeter.
Der letzte Tag
Das Trainingslager endet mit der Teamausfahrt für die Rund-um-Köln-Vorbereitung über einen Teil der Rennstrecke (nachzulesen hier: Schlüsselstellen von Rund um Köln: Mental kotzen können). Alles in allem harte neun Tage und ein richtig schönes, gelungenes Trainingslager. Mein fünftes mit 'Von 0 auf 60' und das mit Abstand beste, auch aufgrund des Superwetters. Die Saison kann kommen!
Das Projekt:
'Von 0 auf 60' ist ein Rennradprojekt, das seit mittlerweile 12 Jahren existiert. Es wurde von Trainer Peter Zaun ins Leben gerufen. Es richtet sich an sowohl an Einsteiger, als auch an Erfahrenere, die neue Herausforderungen suchen und findet jedes Jahr von Oktober bis Ostern statt. Dem schließt sich jedes Jahr eine mehrwöchige Vorbereitung auf das Rennen 'Rund um Köln' an, wo es gezielt um Streckenabschnitte, und allgemein um Fahrtechnik und Fahrtaktik geht. Im Vordergrund steht jedoch immer noch der Spaß.